Hirnrhythmen in Gesundheit und Krankheit

Gedanken zum Vortrag von Prof. Jeanmonod vom 11. Mai 07 anlässlich der GV der Neurofeedback Organisation Schweiz, NOS, von Marie-Helen Lüchinger, Vizepräsidentin

Prof. Daniel Jeanmonod konnte im Verlaufe seines Vortrages – gestützt auf verschiedene Bildverfahren – eindrücklich zeigen, wie bei Schmerz und Hirnerkrankungen stärker ausschlagende Hirnwellenaktivitäten über das gesamte messbare Spektrum erfassbar sind. Ist eine Hirnerkrankung, wie z.B. Parkinson, Epilepsie, oder Depression vorhanden, dann ist die Hirnwellenaktivität verstärkt auf allen heute messbaren Frequenzen von 0,1 Hz bis weit über 40 Hz. Die Aktivitäten sind vor allem deutlich sichtbar auf den Theta- und Alpha-Bereichen, 3,0 Hz bis 11 Hz, aber ebenfalls in den Betabereichen. Wie in den Power-Diagrammen offensichtlich wurde, ist bei den diversen Symptomen in Theta, 10er Alpha und Highbeta die Intensität am deutlichsten erhöht und über die ganze Frequenzskala 0,5 Hz – 48 Hz zu vermerken.

Um bei diesen Auffälligkeiten eine erfolgreiche Besserung zu erzielen, arbeitet Prof. Jeanmonod ganzheitlich:

  • in schwerwiegenden Fällen operiert er, indem er das betroffene und auslösende kleine Feld mit einem Eingriff möglichst inaktiv macht,
  • er ordnet häufig eine psychotherapeutische Therapie an.

Prof. Jeanmonod zeigt, dass der operative Eingriff allein kaum den gewünschten Effekt bringt, wenn nicht einebegleitende psychotherapeutische Unterstützung stattfinden kann, die den Patienten auf seinem Weg zur Besserung auch seelisch eine Entwicklung durchmachen lässt. Auch diese Therapieansätze veranschaulicht er mit eindrücklichen Bildern und Diagrammen.

In diesem Zusammenhang kam er immer wieder auf die Bedeutung einer Behandlung mit Neurofeedback zu sprechen, denn Prof. Jeanmonod hat sich vorgängig zu diesem Vortrag eingehend mit Neurofeedback befasst und (in einer langen, intensiven Sitzung bei der Verfasserin dieses Artikels) mit allen möglichen Trainingsprotokollen am Neurofeedback vertraut gemacht.

Weiter weist Prof. Jeanmonod wiederholt darauf hin, wie bei allen Aktivitäten vor allem ein cortico-corticaler Weg, sowie ein thalamo-corticaler Weg eingeschlagen wird. Die zu behandelnden Hirnaktivitäten sind demnach vor allem im Cortex (Hirnrindenareal) und vom Thalamus zum Cortex aktiv. Hier spielt sich das Wesentliche ab nach Prof. Jeanmonod. Ein Hemmungseffekt ist feststellbar, wenn in dem gesamten Spiel – er vergleicht es mit einem Orchester – auch nur ein einziger Spieler falsch spielt. Damit ist das ganze Zusammenspiel gestört – die Musik ist nicht geniessbar, das Orchester spielt falsch. Die Störung wird vor allem durch ein „Zuviel“ hervorgerufen: durch eine Zunahme in den langsamen oder in den hohen Frequenzen. Wenn ein Areal nicht genügend Aktivität hat, oder der Rhythmus zu langsam ist, beginnt es stärker zu agieren, um diesen Mangel an Aktivität zu beheben: dann wird ebenfalls ein Zuviel sichtbar und die Diagramme zeigen dies dementsprechend auch deutlich auf. Bei Schmerzen ist wiederum ein „Überfunktionszustand oder ein Gleichgewichtsverlust“ festzustellen: zu viele tiefe Frequenzen bewirken dann aber zu viele hohe Frequenzen und das ist die Schmerzreaktion. Schmerz kann also ein Regulationsproblem sein. Wird das System beruhigt mit Neurofeedback und mit Psychotherapie, realisiert das Hirn, dass zu hoch gespielt wird und eine Entspannung kann eintreten.

Dies ist für die Neurofeedback-Therapeuten sehr wichtig, denn sie arbeiten vor allem mit diesen übererregten Arealen im Cortex und Thalamus und sie kennen die erfolgreichen Reaktionen, sobald die Reorganisation und die Regulation der Hirnwellen-Aktivitäten wirksam werden.

Prof. Jeanmonod bringt immer wieder auch anschauliche Fallbeispiele.

Es soll hier kurz ein Fall skizziert sein, der positiv verläuft: Eine Patientin mit Tinnitus, die eine OP hinter sich hat, verspürt immer noch leichte Geräusche. Prof. Jeanmonod zeigte auf, wie das Hirn nach der Operation eine gewisse Zeit braucht (oft bis zu einem Jahr!), um sich an die neue Situation zu gewöhnen. In diesem Fall sind die Geräusche noch unterschiedlich stark hörbar gewesen. Mit Neurofeedback lernt die Patientin nun zusätzlich Gelassenheit in den Alltag zu integrieren, auf ein klares Stressmanagement zu achten und Freiraum, Freizeit, Erholung und Entspannung bewusst zu planen. Dies bedeutet klare innere Strukturen zu spüren und zu akzeptieren, was letztlich im Sich-Selber-Spüren nur möglich sein kann. Mit Neurofeedback entdeckt die Patientin, wie sich Entspannung anfühlt, wie sie sie herholen kann. Sie lernt diese Entspannung einzuplanen und Gelassenheit im aktiven Geschäftsleben immer wieder wirksam werden zu lassen, auch wenn sie anfangs der Überzeugung war, dass sie dann nicht mehr so sorgfältig und perfekt arbeiten könne. Sie entdeckt, dass sie Gelassenheit und Achtsamkeit nebeneinander mit Sicherheit in das eigene Können und Wissen einbinden kann.

Ein weiterer Fall mit einem Parkinson-Patienten, der allerdings vor allem Wut und Zorn im frontalen Bereich vorweist und der nicht operiert werden soll, sondern vor allem psychotherapeutisch und mit Neurofeedback eine Behandlung erhält, ist eine grosse Herausforderung für alle beteiligten Therapeuten. Prof. Jeanmonod zeigt bildhaft, wo sich die Wut befindet: im frontalen Bereich und zwar ist sie sichtbar gemacht, wie ein leichter, rosa gefärbter Nebel. Wut ist nicht einfach loszulassen und muss zuerst einmal akzeptiert und dann erst an ihren Platz verwiesen werden. Dies ist ein grosser psychischer Prozess, der sorgfältig und über längere Zeit begleitet stattfinden muss.

Prof. Jeanmonod arbeitet mit internationalen Teams; weltweit steht er in Verbindung mit Fachleuten, die ebenfalls hochsensible Bildverfahren anwenden. Auch aus diesen Zusammenarbeiten zeigte er Bilder und eindrückliche Ergebnisse.

Prof. Jeanmonod hat grosses Interesse im Publikum geweckt. Seine Studien und Forschungen, sowie seine positive und unterstützende Einstellung der Neurofeedback-Therapie gegenüber sind für unsere Arbeit von enormem Wert. Der Applaus war entsprechend gross. Wir danken ihm für seine Ausführungen!

Marie-Helen Lüchinger